Nach einer fast dreijährigen Schaffenspause kehren Tokio Hotel in diesem Frühjahr mit einem vollständig runderneuerten Sound und neuem Album ins Rampenlicht zurück. Ich traf die vier Vollblutmusiker für das Musik- und Recording-Magazin „Beat“ zu einem erstaunlich entspannten, versierten und offenen Plausch über die Produktion der in Los Angeles und Berlin aufgenommenen „Dream Machine“.
Wirklich, Google?“. Ich schaue auf mein Smartphone und misstraue der Wegbeschreibung in „Maps“. Über Feldwege soll es gehen. Und natürlich regnet es in Strömen. „Durch den Monsun eben“, murmel ich mürrisch vor mich hin. Doch tatsächlich: Am Ende der schlammigen Pfade wartet ein altes Gewerbegebiet abseits von Berlin auf mich. Und darin die Studiolandschaft von Black Box Music, wo sich neben einem Technikverleih auch noch diverse Probehallen und Interview-Lofts befinden. Und ganz viel Raum.
Eine gelungene Umgebung für einen Neustart. Und der war im Fall von Tokio Hotel dringend nötig. Das 2014er-Album „Kings of Suburbia“ konnte nicht mehr an die rauschenden Erfolge der Vorgänger anknüpfen, eine klare musikalische Linie war nicht auszumachen und der längst nicht mehr zur Realität einer gereiften Band passende Vertrag mit dem bisherigen Major-Label lief aus. Dass von Tokio Hotel einmal mehr haften bleiben würde als die flüchtige Begeisterung einer mittlerweile auf das dreißigste Lebensjahr zugehenden Teenager-Generation, erschien mehr als unsicher.
Mittlerweile sind Bill und Tom Kaulitz, Georg Listing und Gustav Schäfer frei von der Umklammerung ihres bisherigen Labels, früherer Produzenten, Songschreiber und Berater. Sie stehen fest auf eigenen Füßen. Und legen Anfang März mit „Dream Machine“ ein Album vor, dass so wohl kaum jemand von den vier Musikern erwartet hätte. Der zum Teil schrille Teen-Rock vergangener Tage weicht einem ambientisch-weichen Elektro-Pop-Teppich, der sich sofort in Ohr und Denken flauscht und daraus schwer wieder entweichen möchte. Ein Wagnis, sicher. Aber auch eine tiefe innere Befriedigung für eine Band, die bereit ist für ganz neue Kapitel abseits der ausgetretenen Pfade des Mainstreams. Es gibt viel zu erzählen.

Ihr habt mit der Arbeit an „Dream Machine“ bereits 2016 begonnen. Über welchen Zeitraum zog sich die Produktion?
Bill / Im Januar 2016 haben wir in den Berliner Red-Bull-Studios mit der Arbeit an Dream Machine begonnen. Tom produziert eigentlich ständig in seinem eigenen Studio, und so haben wir uns erst mal alle getroffen, um uns seine Demos und Ideen anzuhören. Wir haben aber auch Musik anderer Künstler zusammen gehört. Dieses kreative Brainstorming führte gleich zur Aufnahme der ersten fünf Stücke.

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